Was ich beim Gedenkkritik-Workshop von „Dresden WiEdersetzen“ gelernt habe

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Dresden WiEdersetzen hatte zum „Action-Weekend“ eingeladen und ich möchte gern teilen, was ich beim Workshop „Gedenkkritik“ mitnehmen konnte. In einem Satz: Es wurde herausgearbeitet, dass die starke Präferenz für das historische Dresden und der Mythos um die Opfer anschlussfähig für Rechtsextremisten ist und folglich auch von diesen missbraucht wird.

Nebenbei habe ich auch noch gelernt, was KüfA ist – dazu später mehr 🙂

Aber der Reihe nach:

Viele junge Menschen und wenige ältere hatten sich im AZ Conni zusammengefunden, um das Thema zu diskutieren. Zum Aufwärmen gab es eine „Wahrheit oder Mythos“-Challenge, wo es z.B. darum ging, dass es am 13. Februar 1945 weder Phosphor-Abwürfe gab noch ein gezielter Beschuss des „Großen Gartens“ aus Sichtgründen überhaupt möglich gewesen wäre.

Im Hauptteil arbeiteten einzelne Gruppen anhand Material zu verschiedenen Zeitabschnitten (bis 1945, 1945, Nachkriegszeit, Friedensbewegung in der DDR, Wendezeit) heraus, was Dresden im Februar 1945 war – nämlich Nazihochburg und Gauhauptstadt, Eisenbahnknotenpunkt, Standort der Rüstungsindustrie und des Militärs – und wie dann später nach und nach eine Umdeutung des Gedenkens erfolgte, bis am Ende nur noch der Opfermythos blieb.

Für mich besonders aufschlussreich war dabei, dass erst die Friedensbewegung in der DDR nach einer relativen Ruhephase der Erinnerungskultur in den 1960er und 70er Jahren das Gedenken an die Bombardierung im Jahr 1982 wiederbelebt hat, um für ihre (sicher untadeligen) Ziele – nämlich Abrüstung und Demilitarisierung – eintreten zu können. Und da bot der 13. Februar eben einen passenden Anknüpfungspunkt, den auch die DDR-Regierung schlecht abwehren konnte…

Und so rückte der Opfermythos sukzessive immer mehr in den Fokus. Daran änderte sich auch mit bzw. nach der friedlichen Revolution in der DDR nicht ernsthaft etwas: Gerade der Appell für den Wiederaufbau der Frauenkirche zeigt sehr wenig Zeichen von Reflexion oder gar Reue, dafür aber umso mehr „Opfer-Bewusstsein“.

Und was haben wir heute? Nachfolgend ein Auszug aus dem Selbstverständnis von Dresden WiEdersetzen:

„Nach wie vor ist Dresden ein beliebter Aufmarschort für alte und neue Nazis. Das wird so bleiben, solange die Stadt an ihrem institutionalisiertem öffentlichen Gedenken festhält. Der jährliche, von Polizei und Behörden mit vollem Einsatz begleitete Trauermarsch der Nazis knüpft problemlos an den Wunsch der bürgerlichen Mitte an, alte Zeiten endlich ruhen zu lassen und Dresden von seiner Schuld freizusprechen. Und so genügt es tausenden Bürgerinnen, am 13. Februar in einer Menschenkette für wenige Minuten Händchen zu halten, Kränze an einer Stelle auf dem Heidefriedhof abzulegen, die die Täter*innenstadt Dresden in eine Reihe mit den Opfern stellt, um die Stadt für den Rest des Jahres guten Gewissens an Rechte aller Farben und Schattierungen freizugeben.“

Die Teilnehmer*innen des Workshops plädieren daher dafür, das offizielle, institutionalisierte (von der Stadt organisierte) Gedenken in Dresden abzuschaffen – und für mich ist diese Forderung absolut schlüssig. Dabei ist mir wichtig zu erwähnen, dass sich dieser Ansatz ausdrücklich nicht auf informelle Gedenk-Aktionen wie z.B. unsere Mahnwache im Gedenken an die Opfer des Holocaust in Dresden bezieht.

Zum Abschluss gab’s dann noch die schon erwähnte „Küche für Alle“: superlecker, supergünstig, kann ich nur empfehlen – wie auch überhaupt einen solchen „Bildungs-Workshop“ 👍


UPDATE 22.10.2023:

Das Thema lässt mir keine Ruhe, ich habe deshalb „auf eigene Faust“ noch etwas weiter recherchiert und bin dabei auf das rnd-Interview mit dem Historiker Matthias Neutzner Bombardierung Dresdens vor 75 Jahren: „Gedenken ist zum Ritual geworden“ gestoßen. Nachfolgend sind ausgewählte Ausschnitte im Wortlaut wiedergegeben.

„Dresden 1945“ ist zum Symbol geworden, zum Stellvertreterort nicht nur für den Bombenkrieg, sondern auch für andere Leiderfahrungen der Deutschen im Krieg, für die es keine wirkmächtigen Erinnerungsorte gibt. Bereits die nationalsozialistische Propaganda schuf diese Symbolerzählung. In der Zeit des Kalten Krieges nutzte man sie in beiden deutschen Staaten weiter.

Die SED-Propaganda übernahm teilweise wörtlich die Goebbels-Sätze vom „anglo-amerikanischen Bombenterror“, um den neuen Feind im Westen zu diskreditieren. Wie wirkmächtig war das?

Das trug entscheidend dazu bei, dass sich die mit der Symbolerzählung verbundenen Superlative festigten. Die Zerstörung Dresdens wurde zum Instrument der Anklage gegen die „Imperialisten“, man hat die Sprachbilder der Nazis übernommen, hat ihre Übertreibungen und Auslassungen übernommen.

[…]

Die Propagandaerzählung von der Kunststadt fernab des Krieges ist längst widerlegt. Vor allem aber war das Bombardement deutscher Großstädte ja nicht als Bestrafung der Deutschen geplant, sondern Teil einer rationalen alliierten Kriegsführung. Im Falle von Dresden war sie erfolgreich: Die Rüstungsproduktion in der Stadt wurde erheblich beeinträchtigt, der militärisch wichtige Verkehrsknotenpunkt Dresden fiel fast vollständig aus. Ob es allerdings moralisch gerechtfertigt ist, für diesen militärischen Vorteil 25.000 Menschen zu töten, ist eine andere Frage.

[…]

Dresden bietet alljährlich am 13. Februar eine große, hell ausgeleuchtete Bühne für alle Gruppen, die sich geschichtspolitisch äußern wollen. Alle fünf Jahre kommt der jeweils amtierende Bundespräsident und macht diese Bühne sozusagen noch größer. Wir müssen uns immer wieder die Frage stellen, ob wir diese Bühne weiter benötigen, und wenn ja, für welche Ziele.