Und wie! Oma Claudia erzählt, wie es zum Debattentraining kam und warum dieses Format so hilfreich für uns ist.
- “Wenn ich Euch sehe, könnte ich kotzen”
- “Ihr nennt Euch Omas? Schämt Euch!”
- “So, gegen rechts – warum nicht gegen links?”
… mit solchen Sätzen werden wir gern und oft konfrontiert auf der Straße. Und weil das mit der Schlagfertigkeit selten klappt und wir oft erst einige Stunden nach den verbalen Angriffen die guten Argumente gefunden haben, beugen wir diesem Dilemma seit etwa einem Jahr vor: Wir haben eine Debattier-Gruppe gegründet. Das war die beste Idee und sie hilft uns enorm…
Einmal monatlich treffen wir uns nur mit uns und haben schwierige Gespräche, anstrengende Gesprächseinstiege, “Totschlagargumente” und unangenehme Gesprächserlebnisse im Gepäck. Wir nehmen alle Beschimpfungen, Beleidigungen und Provokationen auseinander und üben gemeinsam, wie wir trotzdem in ein Gespräch gehen können.
Immer eine von uns schlüpft dabei in die Rolle des/der Beschimpfenden. Witzigerweise ist das die leichteste Aufgabe – schlimmer noch, es macht fast Spaß, in diese Rolle zu schlüpfen … böse sein, beschimpfen, nicht zuhören, dagegen reden, abwehren. Die anderen Frauen im Raum versuchen nun, gewaltfrei, wertschätzend und auch humorvoll trotzdem in ein Gespräch zu kommen. Und in der Auswertung beschreibt die Frau, die in “der bösen” Rolle war, welcher Gesprächsansatz für sie am überzeugendsten war bzw. welche Reaktionen in ihr ausgelöst worden sind.
Diese Art der Übung schult ungemein, gibt uns Sicherheit und hilft uns, spontan und souverän zu bleiben. Am besten kommen wir klar, wenn wir nachfragen, um Erklärung bitten, die Themen einzugrenzen versuchen und zuhören.
Selbstverständlich sind wir im geschützten Raum klarer, manche neuen Argumente, die uns auf der Straße begegnen und auch manche unerwarteten Reaktionen, lassen uns immer wieder verbal straucheln. Doch zu üben, sich nicht auf Diskussionen und Argumentationsaustausch einzulassen – sondern das Gegenüber zum Sprechen und Nachdenken anzuregen, ist wirklich hilfreich und gibt Kraft.
“Sie wollen kotzen, wenn Sie mich sehen? Können Sie mir das genauer erklären? Was löst diesen Ekel in Ihnen aus – ich möchte das gern verstehen ….” – manchmal klappt es. Und wir kommen ins Gespräch. Und geben uns zum Schluss sogar die Hand zum Abschied.
Ich glaube, wir üben vor allem, das Gegenüber nicht sofort abzustempeln, sondern ernst zu nehmen. Das ist wirklich keine leichte Aufgabe – und manchmal scheint es schier unmöglich. Wenn es doch klappt, wenigstens ansatzweise, dann haben wir gut geübt.
Und deshalb üben wir unverdrossen weiter.
Claudia